Hier ist übrigens der Originalartikel der Weltwoche:
Don Phallo
«Buurli» will König sein
Mit Gangstermethoden kämpft ein Zuhälter um die Vorherrschaft im Zürcher Sexmilieu. Die Behörden hatten die Beweise – und liessen ihn laufen.
Von Alex Baur
Der Kurier mit dem langen Mantel kam jeweils am frühen Morgen, das Gesicht unter einem Motorradhelm versteckt, einen Pizzakarton vor sich her tragend. Doch statt am Eingang zu klingeln, holte der Mann eine Spritzpistole aus der Tasche, steckte diese kurz ins Schlüsselloch, bevor er das Weite suchte. Statt feiner Teigfladen hinterliess der vermeintliche Pizzakurier einen erbärmlichen Gestank, der nur durch eine Renovation der Räume wieder wegzukriegen war: Buttersäure.
Über ein halbes Dutzend solcher Anschläge auf Sex-Etablissements hat die Polizei zwischen Dezember 2003 und März 2004 im Raum Zürich registriert. Da die meisten Bordelle mit Überwachungskameras ausgestattet sind, stand bald fest, dass fast immer derselbe Täter am Werk war. Klar war auch, dass ein knallharter Verdrängungskampf im Gange war. Denn was auf den ersten Blick wie ein Bubenstreich anmutet, ist eine effiziente Methode, die Konkurrenz auszuschalten. Der Schaden dürfte sich insgesamt auf mehrere 100000 Franken belaufen.
Zu den Geschädigten gehörte auch Ingo Heidbrink, ein Jurist und ehemaliger Justizbeamter, der im Januar 2004 das Megabordell «Globe» in Schwerzenbach eröffnet hatte. Heidbrink besitzt mehrere Sexklubs und gehört zu einer neuen Generation von Investoren, welche die Prostitution aus der Halbwelt herausholen wollen und als ganz normales Geschäft nach kaufmännischen Prinzipien betreiben. Mit dem «Globe» – einer Art Supermarkt für käuflichen Sex mit einem vielfältigen Angebot und Discountpreisen – hatte Heidbrink den Zürcher Sexmarkt aufgemischt. Bereits kurz vor der Einweihung des Klubs reagierte die Konkurrenz mit einer ersten Buttersäureattacke. Wenige Tage später folgte ein Brandanschlag, und nur dank glücklicher Umstände konnte eine Katastrophe verhindert werden.
«Das müssen wir draussen besprechen»
Auch Heidbrinks Gegenspieler ist im Zürcher Milieu schon lange bekannt – unter dem Übernamen «Buurli». Die wahre Identität des 47-jährigen Mannes mit der markanten Glatze kennen nur wenige, obwohl der Übername auf seine Herkunft verweist. Altgediente Dirnen können sich noch daran erinnern, wie der Bauernbub aus dem Aargau, der damals noch Marcel H. hiess, in den 1970er Jahren als Teenager im Zürcher Milieu auftauchte, eine Frau nach der anderen mit Charme und Champagner betörte, um sie alsbald auf den Strich zu schicken und abzukassieren, nötigenfalls mit brutaler Gewalt. Nicht nur, aber auch deshalb verbrachte der Zuhälter etliche Jahre im Knast. Kurzum: Buurli ist ein Stenz der alten Schule.
Doch als einer der ganz wenigen seiner Spezies schaffte Buurli den Sprung in die Neuzeit. Im Oktober 1992 eröffnete er in Dübendorf das erste Grossbordell der Region, den «Club Life». Weil er damals zur Verhaftung ausgeschrieben war, schob er Strohleute als Besitzer vor. Und obwohl er in «seinem» Klub ein und aus ging, dauerte es Jahre, bis ihn die Polizei fasste. Wie eine Ex-Mitarbeiterin versichert, war man stets im Voraus informiert, wenn eine Polizeirazzia anstand. Doch verwendete Buurli schon damals die Alias-Identität Franz Fuchs, die er einem alten Knastkollegen entlehnt hatte und unter der er bis heute auftritt. Der Gefängnisaufenthalt tat Buurlis Karriere keinen Abbruch, im Gegenteil, unter dem Pseudonym Franz Fuchs kaufte er weitere Bordelle hinzu und investierte sogar eine halbe Million in eine eigene Internetplattform. «Buurli wollte immer die Nummer eins sein», sagt eine erfahrene Puffmutter, «wer ihm in die Quere kommt, muss mit Drohungen und Anschlägen rechnen.» Es kam zu Strafanzeigen, die in der Regel aber versandeten.
So hatte auch der Zürcher Staatsanwalt Andreas Eckert nicht mehr als Mutmassungen in der Hand, als er die Serie von Buttersäureanschlägen untersuchte. Bis sich im September 2004 ein Hoffnungsschimmer zeigte: Die Bundesanwaltschaft hatte bei ihren Ermittlungen gegen die Biker-Vereinigung Hells Angels Hinweise auf die Attacken gefunden. Eckert schickte seine Akten nach Bern. Doch nach einer Woche kam das Dossier «zu unserer Entlastung» zurück, mit dem Vermerk, dass sich die Bundesbehörden melden würden, falls sich neue Erkenntnisse «oder eine Änderung der Zuständigkeit» ergeben sollten. Damit blieb der Fall in Zürich, wo Eckert das Verfahren am 13. Dezember 2004 mangels Beweisen einstellte.
Gemäss Recherchen der Weltwoche wäre die Bundesanwaltschaft aber ohne weiteres in der Lage gewesen, den Fall zu lösen. Die Bundeskriminalpolizei (Fedpol) hatte ein Büro der Hells Angels während Monaten mit Wanzen und Minikameras überwacht und mehrere Gespräche mitgeschnitten, aus denen klar hervorgeht: Zuhälter Buurli hatte die Anschläge bei einem Mitglied der Angels in Auftrag gegeben, welches die Ausführung an einen Dritten delegierte. Pro Anschlag erhielten die beiden je 10000 Franken von Buurli. Der Zuhälter offerierte ihnen sogar «ein Pfund» (20000 Franken im Gassenjargon), wenn sie einen Mitarbeiter des Konkurrenten Heidbrink «platt machen» würden. Davor schreckten die Täter aber dann doch zurück.
Die abgehörten Gespräche zeigen zwar, dass «Bobo», der damalige Boss der Hells Angels, über die Anschläge informiert war. Auch geht hervor, dass Bobo mit dem Gedanken spielte, beim Bordellbesitzer Heidbrink Schutzgelder zu kassieren. Doch auch hier blieb es bei verbalen Kraftmeiereien.
Alarmierend ist hingegen ein Gespräch zwischen Bobo und dem Zuhälter Buurli, das die Fedpol im März 2004 aufzeichnete: Nach einem belanglosen Smalltalk will der Boss der Hells Angels ein «heikles Geschäft» zur Sprache bringen – doch der Zuhälter schneidet ihm mit einer abrupten Handbewegung das Wort ab: «Das andere müssen wir draussen besprechen.» Buurli nimmt an, dass die Polizei mithört, wie aus den darauffolgenden Gesprächsfetzen klar hervorgeht. Woher weiss der Zuhälter, dass das Büro der Hells Angels verwanzt ist?
Die Beweise sind da – aber dort
Für die Fedpol ist offenbar klar, dass Buurli hinter den Anschlägen steckt, weil er «im Zürcher Sexgeschäft die Nummer eins werden will», wie sie in ihrem Schlussbericht schreibt. Trotzdem eröffnet die Bundesanwaltschaft kein Verfahren gegen den Zuhälter, der gemäss einer verlässlichen Quelle bis heute nicht einmal einvernommen wurde. Die Bundesbehörde leitet ihre Erkenntnisse aber auch nicht an den nach wie vor zuständigen Zürcher Staatsanwalt Eckert weiter, der die Untersuchung in Zürich schliesslich einstellt. Auf den Punkt gebracht: Die Bundesanwaltschaft hat Beweismittel gegen den Mann in der Hand, der das Zürcher Milieu mit Gangstermethoden terrorisiert – und lässt ihn ungeschoren laufen.
Die Bundesanwaltschaft mag zu diesen Rätseln keine Stellung nehmen und verweist auf den Eidgenössischen Untersuchungsrichter – und dieser beruft sich auf das Amtsgeheimnis. Eine mögliche Erklärung: Buurli passt nicht ins Bild der «kriminellen Organisation», wie es die Bundesanwaltschaft gerne hätte – also ignoriert man ihn einfach. Die Anschlagsserie auf die Bordelle ist ein zentrales Element im Megaverfahren gegen die Biker-Gang, das der Bundesbehörde bis anhin vor allem Hohn und Kritik eingebracht hat. Doch ebendieses Dossier weist darauf hin, dass die schweren Jungs nur den Part des «Gang-go» spielten – schon fast peinlich für eine angebliche «kriminelle Organisation».
Laut dem Schlussbericht der Fedpol soll der Rundschlag gegen die Hells Angels trotzdem ein Erfolg sein: «Nach der Polizeiaktion vom April 2004 wurden keine Buttersäureanschläge mehr auf Sex-Etablissements verübt.» Auch das ist nicht mehr als Wunschdenken. Gemäss Recherchen der Weltwoche kam es allein in den letzten sechs Monaten mindestens zu drei derartigen Attacken in zwei Zürcher Bordellen. Für beide Betroffenen ist klar: Dahinter kann nur Buurli alias Franz Fuchs stecken, der alte Zuhälter, der seine Konkurrenten terrorisiert. Nur die Justiz weiss von nichts.
Quelle
http://www.weltwoche.ch/ausgab…rli-will-koenig-sein.html