von Birgit Hoffmann - Wie sieht die ideale Beziehung aus? Was sind die geheimen Wünsche von Frauen und Männern? Und welche Anzeige hat am meisten Erfolg? Ein Interview über die Psychologie der Liebe.
Im Gespräch mit dem «Südkurier» erzählt Psychologe Manfred Hassebrauck, wie wir bei der Partnerwahl vorgehen, worauf wir anspringen und wie wir unsere Chancen auf dem Liebes- und Heiratsmarkt steigern. Dabei kommt es vor allem auf den ersten Eindruck an. Denn 200 Millisekunden reichen meist, um zur Einschätzung zu kommen: Sieht gut aus oder sieht nicht gut aus. Und damit wird die Frage, ob die Person als Partner infrage kommt oder nicht, schon halb beantwortet.
Hat man denn die Chance, diesen ersten Eindruck noch einmal zu drehen, wenn er schlecht ist?
Manfred Hassebrauck:Wenn man diesen ersten Filter nicht passiert, wird es schwierig. Doch trifft man immer wieder auf diese Person, so wie am Arbeitsplatz, im Verein oder in einem Volkshochschulkurs, dann besteht die Möglichkeit, dass dieser erste Eindruck revidiert wird. Es geht sogar so weit, dass, wenn uns Leute im Hinblick auf ihr Aussehen nicht unbedingt zusagen, wir sie schöner finden, wenn wir sie besser kennenlernen und ähnliche Interessen haben wie sie.
Kann man denn sagen, dass Männern bei Frauen das Aussehen wichtiger ist als die inneren Werte?
Nein, so kann man das nicht sagen. Man kann aber sagen, dass Männern das Aussehen wichtiger ist als Frauen.
Was schätzen Frauen an Männern am meisten?
Eigentlich auch das, was Männer an Frauen am meisten schätzen: Verlässlichkeit, Stabilität, auch die Befriedigung von emotionalen Bedürfnissen und dass der andere für einen da ist, wenn man ihn braucht.
Wie müsste ein Mann denn eine Kontaktanzeige formulieren, damit möglichst viele Frauen antworten?
Nach meinen Auswertungen bekommen Männer, die sich mit statusbezogenen Merkmalen beschreiben, mehr Zuschriften. Frauen dagegen, wenn sie sich mit aussehensbezogenen Merkmalen beschreiben. An dem Klischee, dass Frauen mit Ärzten oder Rechtsanwälten liiert sein wollen, ist was dran.
Also hat ein Golf spielender Arzt bessere Chancen ...
Ja, er hat auf jeden Fall bessere Chancen als der momentan Arbeitslose.
Blond, blauäugig, jung, gute Figur: Frauen sollten also am besten ihr Äusseres beschreiben?
Ja, gute Figur beispielsweise. Die Frauen, die das nicht schreiben, kriegen auch deutlich weniger Zuschriften. Es ist fast so, als würden die männlichen Leser annehmen, dass etwas besonders schlecht zu sein scheint, wenn es fehlt.
Eigentlich sagt man doch immer: Gegensätze ziehen sich an. Stimmt das?
Nein, an diesem Spruch aus dem Volksmund ist wirklich gar nichts dran.
Jeder sucht sich also einen ähnlichen Partner?
Ja. Ähnlichkeit ist das Grundprinzip einer funktionierenden Beziehung, denn sie reduziert Konflikte. Wenn zwei das Gleiche wollen, müssen sie sich nicht streiten und auch keine Kompromisse eingehen. Ähnlichkeit bezieht sich aber nicht nur auf Interessen oder Hobbys, sondern auf unsere Sicht des Lebens.
Das heisst, ein positiv denkender Mensch zieht einen solchen Partner an?
Richtig. Aber auch politische Einstellungen sind wichtig. Egal ob konservativ oder eher linksliberal, wir Menschen haben das Bedürfnis zu glauben, dass unsere Einstellungen richtig sind. Da es keine objektiven Kriterien für richtig und falsch gibt, nehmen wir die Informationen, die wir aus unserer Umwelt bekommen. Wenn jemand mit uns übereinstimmt, erzeugt das ein angenehmes Gefühl, das mit der betreffenden Person gekoppelt wird. Deshalb finden wir sie sympathisch.
Was muss passieren, damit aus einem angenehmen Gefühl Liebe wird?
Das kann ich Ihnen nicht sagen, denn das am wenigsten klare Phänomen in der Beziehungsforschung ist, unter welchen Bedingungen es zum Verlieben kommt. Da können zwei perfekt zusammenpassen und trotzdem verlieben sie sich nicht. Der Zaubertrank, den wir alle möchten, den gibt es nicht.
Unterscheiden sich Männer und Frauen in ihren Vorstellungen über eine gute Beziehung?
Überraschenderweise nicht. Sie stimmen im Wesentlichen überein. Eine gute Beziehung besteht aus vier Komponenten: aus emotionaler Nähe, aus Übereinstimmung, einem gewissen Mass an Unabhängigkeit und schliesslich Sex. Diese vier Aspekte finden Männer und Frauen gleichermassen wichtig, und wenn sie hier übereinstimmen, kann die Beziehung auch dauerhaft erfolgreich bleiben.
Warum lässt die Leidenschaft nach?
Weil es hochgradig sinnvoll und funktional ist. In der ersten Phase einer Beziehung erleben wir, dass wir total auf unsere Partnerin fixiert sind. Das ist anfangs durchaus nützlich, weil wir bereit sind, uns auf den anderen einzulassen. Wir trauen uns auch mehr zu und unternehmen mehr, um den anderen dazu zu bringen, uns genauso zu lieben wie wir ihn. Aber wenn dieses Gefühl langfristig konstant bleiben würde, wäre es hinderlich, um die vielen anderen Aufgaben, die wir im Leben haben, adäquat auszufüllen. Verliebtsein ist eine sehr intensive Emotion, die die Evolution entwickelt hat, weil sie der Paarbindung dient. Aber wenn das Paar sich gefunden hat, dann kann sie nachlassen.
Sind Frauen eifersüchtiger als Männer, wenn sie merken, dass ihr Partner fremdgeht?
Nein. Männer und Frauen unterscheiden sich nicht in der Intensität des Eifersüchtigseins, aber in den Anlässen, die zur Eifersucht führen. Männer finden es verletzender als Frauen, wenn die Frau eine sexuelle Affäre hat. Umgekehrt finden es Frauen schlimmer, wenn die Gefahr der emotionalen Untreue gegeben ist. Zum Beispiel, wenn ein Mann sagt: Ich fühle mich dieser Frau ganz nah, war aber nicht mit ihr im Bett, dann finden das Frauen ganz schlimm. Wenn Männer einen Seitensprung beichten, fragen Frauen spontan: Liebst du sie? Und die Männer fragen: Warst du mit ihm im Bett?
Warum reagieren die Geschlechter hier so unterschiedlich?
Das lässt sich durchaus evolutionär begründen. Für die Männer ist die grosse Gefahr, dass die Frau ihn mit einem anderen betrogen hat und von diesem schwanger ist. Er ist also nicht der Vater und weiss es nicht. Diese väterliche Unsicherheit ist ein ernsthaftes Problem, mit dem Männer schon seit Anbeginn der Menschheit konfrontiert sind. Dieses Problem haben Frauen natürlich nicht. Sie verlieren dagegen eher die Bindungsbereitschaft ihrer Männer, wenn diese sich anderen Frauen zuwenden. Auch heute noch haben es alleinerziehende Mütter schwerer als solche mit Partner.
Die Gründe, weshalb man einen bestimmten Partner wählt, sind heute nicht anders als früher. Warum scheitern heute trotzdem mehr Ehen?
Zum einen wird es den Leuten einfacher gemacht, sich zu trennen. Noch in den 50er Jahren war Geschiedensein so etwas wie ein Makel. Zum anderen ist die finanzielle Absicherung von Frauen im Falle einer Scheidung besser, als sie es noch vor 50 Jahren war. Das erleichtert es natürlich, eine unbefriedigende Beziehung zu beenden. Drittens machen wir die Zufriedenheit mit unserer Beziehung an der Erotik fest. Früher waren Beziehungen eher pragmatisch, oft durch die Familie herbeigeführt.
Normalerweise offenbart man zunächst nicht so viel von sich selbst. Inwiefern verändert das Internet diesen Akt des Kennenlernens?
Heute können wir im Internet aus Millionen Menschen wählen. So wird zwar die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Partner zu finden, grösser. Die Schattenseite ist, dass die Leute immer anspruchsvoller werden und meinen, sie müssten keine Kompromisse mehr eingehen. Beziehungen erfordern immer Kompromisse. Einfach so lange zu suchen, bis man den passenden gefunden hat, ist eine schlechte Strategie. Aber wie Sie richtig sagen, ist die Reihenfolge, in der Informationen auf uns einströmen, durch das Internet eine andere. Normalerweise sehen wir jemanden und nehmen eine spontane Vorselektion vor: Gefällt mir oder gefällt mir nicht. Dann bekommt man langsam mehr Informationen. Im Internet weiss man sofort alles: man kennt den sozioökonomischen Hintergrund und weiss auch etwas über die Bildung und die Persönlichkeit. Den Leuten fällt es oft schwer, diese Fülle an Informationen adäquat zu gewichten.
Nicht nur Herr und Hund ähneln sich häufig, auch ältere Paare, die lange zusammenleben, tun das. Warum?
Da ist was dran: Leute, die 20 oder 30 Jahre verheiratet sind, ähneln sich mehr, als solche, die gerade erst geheiratet haben. Die plausibelste Erklärung sind gemeinsame emotionale Erfahrungen. Man geht durch Hochs und Tiefs und diese Erfahrungen graben sich fest in der Mimik ein. Leute, die lange zusammenleben, ernähren sich auch vergleichbar.
Beziehung ist auch Arbeit. Ohne dem anderen täglich etwas Gutes zu tun, geht es doch nicht.
Richtig. Man muss dem anderen rückmelden, dass er einem wichtig ist. Das ist wie bei einem Auto: Das bringen wir auch in die Inspektion und müssen das Öl wechseln. Hier machen wir das ganz selbstverständlich, aber bei Beziehungen übersehen wir, dass wir dafür etwas tun müssen.
(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des «Südkurier» in Konstanz)
http://www.20min.ch/life/story/31113451